von Kerstin Schulz
Brouwsersdam, 16. u. 17. Juni 2012
Ein Traum wurde wahr. Seit über 4 Jahren habe ich auf diesen Moment gewartet. Als dann am 13. Juni der Anruf kam war ich ganz aus dem Häuschen. Und dann am Strand, nach anfänglichem Muffensausen war alles (fast) wie früher. Aber zunächst mal zum Anfang.
Ich bin ja nun seit gut 2 Jahren amputiert und auch davor schon ein paar Jahre im Krankenhaus. Aber bevor meine Klinikodyssee begann, war ich begeisterte Kitesurferin. Da es sich bei mir um eine geplante Amputation handelte, war für mich von Beginn an klar: Ich komme wieder auf’s Wasser.
Natürlich gab es einige Hürden zu überwinden. Eine Prothese musste her, die auch den extremen Belastungen des Kitesports standhalten würde. Im Internet informierte ich mich gründlich und hatte schließlich Kontakt zur Firma O.T.W. in Minden (Ost-Westfalen). Hierhin schickte ich nach telefonischer Rücksprache mein Rezept. Nun musste nur noch die Krankenkasse zustimmen. Nach einigen zähen Verhandlungen war es dann soweit. Ich bekam eine Kostenübernahme, allerdings ohne Schaft. Aber was soll’s, so dachte ich mir, ich hatte ja noch einen zu Hause.
Im Februar wurde dann mein, wie ich es nenne, Kite-Bein, zusammengesetzt. Auch hier lief nicht gleich alles glatt. So hatte ich zum Beispiel zwar ein Zimmer für die Woche in Minden reserviert, aber erst einen Tag von Anreise merkte ich, dass ich wohl in Minden (Eifel) und nicht in Minden (Ost-Westfalen) schlafen würde, könnte ich kein anderes Zimmer mehr finden. Aber mir kam der Zufall zu Hilfe und ich ergatterte ein Zimmer in einem total familiären B&B, welches zum meinem Glück auf gleich ums Eck vom Techniker lag. Nach 4 Tagen stand die Konstruktion für’s Kite-Bein und es wurde ausgiebig vom Sprungturm im Schwimmbad getestet. Kiteversuche waren bei -15°C keine drin. Aber was soll’s. Nach dem Testlauf wurde alles nochmal komplett zerlegt und wasserfest lackiert, damit Salz und Laugen die Teile nicht sofort auffressen. Irgendwann hatte ich aber schließlich die fertige Prothese in der Hand.
Dann musste ich mir noch einen Neoprenanzug besorgen, der etwas wärmer war als mein eigener. Nachdem auch das erledigt war, hieß es umziehen und rein in die Klamotten. Dann liefen wir an den Strand und bauten das Equipment auf. Am Anfang ging mir echt die Düse, aber als dann der Schirm in der Luft war (am Anfang noch durch Christian) und ich im Wasser stand (brrrrrrrr), war alles gut. Zunächst trainierte ich das Handling des Schirms, da sich das Flugverhalten in den letzten 4 Jahren echt zum Positiven verändert hat. Nun galt es einen Kite-Lehrer zu finden, der sich zutraute, eine Amputierte auf’s Brett zu kriegen. Auch hier kam mir der Zufall zu Hilfe, denn ich fand Christian Lerch. Christian leidet an Dysmelie und ist von Geburt an ohne Fuß unterwegs. Er trägt eine Ortho-Prothese und kommt damit super zurecht. Jetzt hatte ich fast alles zusammen, was fehlte war nur der Wind und das passende Wetter.
Übrigens, ich musste lange überlegen, welchen Namen mein Kite-Bein kriegt. Ich hab‘ mich für Mystic entschieden. War ja auch irgendwie mystisch die Sache. Mein Dank gilt auch Christians Freundin, die tolle Fotos gemacht hat. Wer noch weiter fragen hat kann sich geren an Christian Lerch unter Christian.Lerch@wisag.de wenden.